Und ich kann nur einmal mehr feststellen: Die Zeit scheint es in diesem Jahr besonders eilig zu haben. Nachdem gefühlt gerade einmal der Januar vorbei war, stand plötzlich der Sommer inklusive Pfingstferien vor der Tür. Und die sind nun auch schon wieder ein paar Wochen her. Trotzdem lasse ich es mir nicht nehmen, noch ein paar virtuelle Postkarten aus der Toskana hierzulassen. Denn dort haben wir nun zum zweiten Mal eine ganz herrliche Zeit verbracht und mir kribbelt es in den Fingern, ein paar Urlaubstipps und -geschichten aufzuschreiben.

Im Urlaub will man es ja immer ganz besonders schön haben. Der Alltag muss übertroffen werden, damit man – zurückgekehrt – von den einzigartigen Erinnerungen zehren kann. Wenn man wie wir alte Gemäuer liebt und in einem 100 Jahre alten Haus in schönster Umgebung lebt, dann muss man in den Ferien also schon in einen 1.000 Jahre alten Turm umgeben von zirpenden Zikaden, Zypressen, Olivenhainen und sanften Hügeln einziehen. Das haben wir gemacht und wurden mit entspannten Tagen belohnt. Morgens flatterten die Schwalben vorbei und abends sorgten Glühwürmchen und ein Glas Rotwein für die passende Atmosphäre.

In der Zeit dazwischen haben wir uns an den schönsten Stränden getummelt, noch ältere Gemäuer und verzauberte Gärten besichtigt und bestens gespeist. Außerdem habe ich einen Drachen gefangen, der sich in den alten Turm verirrt hatte. Einzig mit Sieb und Besenstiel bewaffnet, konnte ich ihn aus unserem Appartement verbannen. Seither bestehe ich darauf, dass man mich Mother of Dragons oder wenigstens Siegfried nennt. Aber meine Kinder behaupten, der Drache wäre nur ein Gecko gewesen und sagen weiter Mama zu mir. Als ob jemand schon einmal einen zwei Meter langen Gecko gesehen hätte. Naja. Schluss mit den Geschichten. Hier kommen meine Toskana Tipps.




Ein perfekter Tag in Castiglione della Pescaia
Genaugenommen waren wir ja in der Maremma. Piniengesäumte Naturstrände, uralte Bergdörfer, etruskische Gräber – die Maremma ist die traumhafte Landschaft im Süden der Toskana. Ein bisschen aus der Zeit gefallen und doch ganz lebendig. Castiglione della Pescaia heißt das Städtchen, in dessen unmittelbarer Nähe wir residierten. Dieser Ort ist eine echte italienische Schönheit mit einer hübschen kleinen Altstadt direkt am Meer. Die Tuffsteinhäuser ziehen sich einen Hügel hinauf auf dem eine mittelalterliche Burg thront. Von dort oben hat man einen traumhaften Ausblick auf das azurblaue Tyrrhenische Meer. Im Norden sieht man bei klarem Wetter die Rocchette und die Insel Elba. Wer seinen Blick gen Süden richtet, kann den Sumpf von Diaccia Botrona, die Uccellina-Berge und die Insel Giglio entdecken.



Vor allem abends erwacht Castiglione zum Leben. Ich bin eigentlich ein echter Touri-Hotspot-Muffel und meide eher Orte, an denen ich mehr Deutsch als die Landessprache höre. Doch die trubelige Stimmung in der Fußgängerzone von Castiglione bei einem Espresso-Martini habe ich richtig genossen. Irgendwie vereint der Ort Lebendigkeit und Idylle ganz perfekt. Auch einen entspannteren Stadtstrand habe ich selten gesehen.

Mein Tipp für einen perfekten Tag in Castiglione lautet also: Erst gibt es ein Eis und einen Espresso zum Frühstück, in einer der Eisdielen in der Fußgängerzone. Wir haben alle getestet und verglichen. Jede einzelne ist die perfekte Wahl. So gestärkt geht es hoch zur Burg, solange es noch nicht zu heißt ist. Wenn ihr nach ein paar „Oooohs“ und „Aaaahs“ ob der Aussicht wieder runtermarschiert seid, heißt es: Nichts wie an den Strand. Sucht euch ein ruhiges Plätzchen in der Nähe der Surfschule. Wenn ihr ausreichend geplanscht, geschwommen und in der Sonne gefaulenzt habt, esst abends eine Pizza in der Medusa Negra. Die Pizzeria ist nicht weit vom Strand. Tagsüber ist sie geschlossen und wirkt so unscheinbar, dass man sie leicht übersieht. Feste Öffnungszeiten gibt es auch nicht. Irgendwann zwischen 19 und 20 Uhr erwacht sie jedoch zum Leben. Hier hört man vor allem italienisch. Ein gutes Zeichen, wie ich finde. Es gibt die leckerste Pizza Napoli und den freundlichsten Besitzer mit einem sehr guten Gedächtnis. Wir haben bei unserem ersten Aufenthalt in Castiglione 2024 zwei Mal dort gegessen. Ein Jahr später hat er uns beim erneuten Besuch gleich wieder erkannt. Vielleicht haben wir uns ja aber auch so furchtbar benommen, dass wir deshalb in Erinnerung geblieben sind. Trinkt zur Pizza ein Glas vom Hauswein. Der ist richtig gut. Satt und zufrieden geht es dann wieder in die Altstadt. Lasst euch treiben und lasst euch nieder, wo ihr ein Plätzchen findet und genießt bei einem kühlen Getränk – oder einem weiteren Eis – das bunte Treiben und die gute Stimmung.

Torre Mozza – Schwimmen auf den Spuren des alten Roms
Ein heißer Sommertag vor 2.000 Jahren. Die Sonne steht in ihrem Zenit. Sie brennt auf die staubige, mit großen Steinblöcken gepflasterte Straße, die sich an der Küste entlangschlängelt. Ein Ochsenkarren holpert vorbei, beladen mit Amphoren voll Wein aus Etrurien. Der Fuhrmann, mit Staub bedeckt und von der Reise gezeichnet, ruft lautstark, um Platz zu schaffen. Neben ihm läuft ein Eselstreiber mit einem halben Dutzend Tiere, beladen mit Stoffen, Öl und Gewürzen. Ein kleiner Trupp Legionäre marschiert in Reih und Glied. Die Rüstungen glänzen in der Sonne. Sie sind auf ihrem Weg zu einem weit entfernten Außenposten. Am Rand der Straße ruhen Reisende unter einem schattigen Baum. Kinder spielen mit kleinen Tonfiguren, während die Mutter getrocknete Feigen verteilt. Der Vater spricht mit einem vorbeiziehenden Händler, der seine Waren – Bronzegefäße und Schmuck – auf einem tragbaren Tisch ausbreitet. Auch wohlhabende Römer sind unterwegs: In einer Sänfte sitzt ein Senator mit purpurverbrämter Toga. Er blickt gelangweilt auf das einfache Volk, während sein Sekretär eifrig Notizen auf einer Wachstafel kritzelt. Weiter hinten hört man Musik – ein fahrender Gaukler hat sich auf einem kleinen Platz neben der Straße niedergelassen und spielt Flöte. Kinder versammeln sich, lachen, klatschen. Ein paar Münzen klirren in seiner Schale.


Ein heißer Sommertag 2025. Die großen Steinblöcke der Via Aurelia sind noch immer da. Doch weder Ochsenkarren noch Soldaten sind darauf zu finden. Korallen haben sich auf den Steinen festgesetzt. Silbrig glänzende Fische suchen sich schnell ein Versteck als ich mit dem Kopf unter Wasser tauche.


Die Via Aurelia wurde um 100 vor Christus angelegt, um Rom mit der toskanischen Provinzhauptstadt Pisa zu verbinden. Sie war als Handelsroute mit weiteren bedeutenden Verkehrswegen verbunden. Später verlängerte man die Route bis Frankreich. Entlang der Straße entstanden Siedlungen und Städte, die zu wichtigen Stationen auf dem Weg wurden. Heute finden sich Teile der alten Römerstraße im Golf von Follonica etwa 10 Meter vor der Küste am Strand von Torre Mozza. Aus dem Handelsweg wurde ein Wellenbrecher und ein wunderbarer Ort zum Schnorcheln. Der Strand Torre Mozza ist ein Geheimtipp, den uns unser Vermieter verraten hat und der neben dem Stadtstrand von Castiglione zu einem unserer Lieblingsstrände wurde. Der Torre Mozza liegt etwa eine halbe Fahrtstunde nördlich von Castiglione della Pescaia. Zumindest in den Pfingstferien war es dort nie überlaufen. Das Wasser ist bis zur alten Römerstraße nicht tief, so dass man eine Art Nichtschwimmerbecken mitten im Meer hat. Perfekt für kleine Schwimmanfänger. Seinen Namen verdankt der Strand übrigens dem großen alten Wehrturm aus dem 15. Jahrhundert, der direkt am Wasser steht.
Der Giordino den Tarocchi – im Garten der Künstlerin
Kennt ihr die Nanas von Niki de Saint Phalle? Diese bunten und üppigen Frauenskulpturen, die mir immer wie eine fröhlich und agile Version der Venus von Willendorf vorkommen? Als ich ein Kind war, hatten Freunde meiner Eltern so eine Nana in ihrem Wohnzimmer. Ich weiß noch, wie schön ich sie fand. Im Grunde genommen bin ich also schon seit 40 Jahren ein Fan der Künstlerin Niki de Saint Phalle. Doch erst jetzt hat es mich in ihren Tarotgarten verschlagen.

Begeben wir uns also vom Norden Castigliones in Richtung Süden. Denn an der Grenze zur Region Lazio, nahe des mittelalterlichen Städtchens Capalbio, liegt ein Ort, der einem Traum entsprungen zu sein scheint. Der Tarotgarten, der Giardino del Tarocchi, von Niki de Saint Phalle ist Skulpturengarten, Spielplatz, Tempel und Märchenwelt in einem. Inspiriert von Gaudís Park Güell in Barcelona und den Archetypen des Tarots, begann die Künstlerin in den späten 1970er-Jahren mit dem Bau ihres magischen Gartens – fast zwei Jahrzehnte lang arbeitete sie zusammen mit Künstlerfreunden, Handwerkern und Bauleuten an der Fertigstellung.



Der Garten ist ein Labyrinth aus Skulpturen, Mosaiken, Spiegeln und Farben. Überlebensgroß und surreal stehen die Figuren in der Landschaft – mal majestätisch, mal grotesk, mal verspielt. Zu bestaunen gibt es unter anderem den Magier, der für die Künstlerin der Schöpfer des Universums ist, den Hohepriester als Schlüssel der Weisheit und die Kaiserin, ein riesiger weiblicher Körper in Form einer Sphinx, in dessen Innerem Niki de Saint Phalle zeitweise wohnte. Die Kaiserin verkörpert Weiblichkeit, Schutz und Kraft – Themen, die sich durch Niki de Saint Phalles gesamtes Werk ziehen. Ein paar Schritte weiter wacht der Tod über den Garten. Bedrohlich, aber nicht furchteinflößend. Eher eine Erinnerung an den Wandel und daran, dass jedes Ende auch ein Neuanfang ist. Viele Skulpturen sind begehbar. Dazwischen finden sich immer wieder sich drehende Fantasiemaschinen des Schweizer Künstlers Jean Tinguely, dem langjährigen Lebensgefährten von Niki de Saint Phalle.




Mit all seinen Spiegeln und fehlenden Ecken und Kanten ist der Tarotgarten ein Ort, der sich jeder Eindeutigkeit entzieht – und vielleicht gerade deshalb so lange nachhallt. Leichtigkeit und Tragik treffen in diesem Garten auf einzigartige Weise aufeinander. Der Tarotgarten ist kein klassisches Ausflugsziel, sondern eine Einladung, sich für ein paar Stunden in eine andere Welt zu begeben. Ich könnte dort Stunden verbringen. Damit es dabei dem Krümel nicht langweilig wird, haben wir uns ein Spiel ausgedacht. Eine Art Schnitzeljagd. Einer von uns hat sich aus dem Staub gemacht, eine Skulptur oder einen Teil davon mit dem Smartphone fotografiert, den anderen geschickt und die mussten denjenigen dann anhand dieses Hinweises im Park aufspüren.

Wie das gesamte Jahr bislang ist die schöne Zeit in der Toskana viel zu schnell vergangen. Zum Glück habe ich ein paar Erinnerungen gesammelt, die ich jederzeit gerne wieder aus dem Kopfkoffer packen kann. Jetzt stehen erst einmal die Sommerferien vor der Tür – ohne festes Ziel. Aber vielleicht verratet ihr mir ja, wo ihr eure nächsten Erinnerungen sammeln geht…

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